System ubw 1/2002

20. Jahrgang, Heft 1, Juni 2002, 77 S.



Inhalt

  • Susanne Sarial
    Der Zauber des Rings – Zu J.R.R. Tolkiens »Herr der Ringe«
  • Peter Priskil
    Die Hinrichtung Ludwigs XVI.
    Eine Studie zur Funktionsweise der Übertragung
  • Fritz Erik Hoevels
    Beiträge zur Psychopathologie des modernen Alltagslebens – 2. Die Wahlkabine
  • Miszellen
    • Über den Einsatz von Symbolbedeutung (Judith Funke)
    • Ein vergessener Name (Peter Priskil)
    • Ein Fall von Verlegen (Simone Reißner)

Susanne Sarial
Der Zauber des Rings – Zu J.R.R. Tolkiens »Herr der Ringe«

Abstract:

»Der Zauber des Rings« geht der Frage nach, woher die Faszination rührt, die Tolkiens Trilogie »Der Herr der Ringe« mittlerweile seit mehr als 50 Jahren ungebrochen an den Spitzen der Bestsellerlisten stehen läßt. Die Erkenntnisse der Psychoanalyse lassen verstehen, daß innerhalb des Romans beständig die Situation des bedrohten Ich's geschildert wird, das sich erfolgreich gegen seine Feinde wehrt, wobei Tolkien mit meisterhaftem Gespür die unbewußten seelischen Kämpfe illustriert. Der Roman ist aus der Perspektive der Latenzzeit geschrieben, die für manchen – so, steht zu vermuten, auch für Tolkien – vielleicht die relativ glücklichste Phase seines Lebens war, in der die nicht einlösbaren, weil verbotenen und daher verdrängten sexuellen Wünsche die geringste Rolle spielten und deshalb am ehesten Platz für die Ich-Stärkung, die mit dem Erwerb von Fähigkeiten und Kenntnissen zusammenhängt, ließen.

 


Peter Priskil
Die Hinrichtung Ludwigs XVI. –
Eine Studie zur Funktionsweise der Übertragung

Abstract:

Die Hinrichtung des Königs Ludwig XVI. zählt zu den wesentlichsten Schlüsselereignissen der französischen Revolutionsgeschichte. Aus den erhalten gebliebenen Dokumenten, Protokollen der Parlamentsdebatte, läßt sich ersehen, daß die unterschiedlichen Voten über das Schicksal des Monarchen – Tod, Haft respektive Begnadigung – nicht allein den widersprüchlichen politischen Interessen entsprechen, sondern darüber hinaus einen interessanten, psychologisch verwertbaren Aspekt aufweisen: Die Länge der Redebeiträge variiert in statistisch signifikanter Weise je nach Votum und läßt sich den topischen Kategorien der Psychoanalyse zuordnen. Am wenigsten aufwendig, d. h. am wortärmsten, sind die Ich-konformen, auf Freiheit und Selbstbestimmung basierenden Plädoyers der Revolutionäre (= Hinrichtung), doppelt so umfangreich sind die gehorsam und Unterwerfung einfordernden Reden der königsloyalen Abgeordneten (= Begnadigung, Überich-Position). Am aufwendigsten gestaltet sich das Lavieren zwischen Ich und Überich mit letztendlicher Kapitulation vor dem Überich, die Ausführungen der Unentschlossenen, die das dreifache Quantum an Energieaufwand und Redefluß beanspruchen. Der Autor untersucht verschiedene typische Strategien, mit deren Hilfe die Herrschaft des ins Wanken geratenen Überichs gesichert werden soll – Begriffsverwirrung, Zeitgewinn, Umkehr der Beweislast, Bereitstellung von Rationalisierungen, schließlich Sentimentalität und Pathos, die sämtlichst auf die Herstellung einer gefestigten Übertragung abzielen. Der geheime Sinn der Debatte besteht in der Festigung der Überich-Position, ihre Heftigkeit entspricht der Schärfe des Konflikts zwischen Ich und Überich, die letztendlich hauchdünne Mehrheit für die Hinrichtung bei eindeutiger Sachlage spiegelt die Brisanz dieses nicht nur politisch, sondern psychisch energiegeladenen Konflikts wider.

 


Fritz Erik Hoevels
Beiträge zur Psychopathologie des modernen Alltagslebens –
Teil 2: Die Wahlkabine

Abstract:

In dem Maße, in welchem die von den Unisono-Medien als »wählbar« präsentierten Parteien (gegenüber einer winzigen, dämonisierten Opposition) zu einem diffusen, übermächtigen Block verschwimmen, ziehen sie eine pauschale Übertragung auf sich; Wählen einer echten block- und medienunabhängigen Opposition wird ubw als ödipale Verfehlung empfunden. Aufgrund struktureller und »ideologischer« Ähnlichkeit belebt die Wahlkabine ubw das Bild der kindlich bis adoleszent erlebten Toilette als Hauptort der Onanie, deren Unterdrückung ebenfalls als antiödipale Reaktionsbildung motiviert war, und belädt dadurch die Wahl außerhalb des de-facto-Kartells stehender Oppositionsparteien unbewußt mit ödipalem Schuldgefühl; der Wahlakt wird dadurch zusätzlich infantilisiert.

 

EUR 7,50
20. Jahrgang, Heft 1, Juni 2002, 77 S.

ISSN: 0724-7923
ISBN: 978-3-89484-705-0
(ISBN-10: 3-89484-705-0)

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